Klasse statt Rasse

„Nichts ist wie es scheint“, so hätte der Titel des Romans auch lauten können. Kirchen sind keine Gotteshäuser mehr, sondern Delphinarien oder Notunterkünfte, Homo- werden zu Heterosexuellen, Revolutionsgenossen zu etablierten Bürgern oder schlimmer zu korrupten Herrschern. Selbst der gerechte Gottesmann Gumede kommt von seinen Prinzipien ab und Steve und Jabu, die als Kämpfer und als illegales Paar ihre Existenz für ihr Land auf’s Spiel gesetzt haben, kehren diesem nun den Rücken.

Oder doch nicht? Meiner Meinung nach gab es im letzten Kapitel viele Indizien, daß sie diesen Schritt nicht unternehmen. Besonders Jabus Ausweichen vor einem Zusammentreffen mit Baba ist für mich ein Zeichen, daß ihre Entscheidung für Australien noch schwankt. Den Argumenten Babas würde sie nicht standhalten. Deshalb will sie nicht nach KwaZulu, Zuma war ein eher kollateraler Grund.

Doch in diesen Kapiteln mehren sich die Zeichen, die gegen ein Bleiben sprechen. In Südafrika ist die Ungleichheit zwar nicht mehr von der Rassen- jedoch von der Klassenzugehörigkeit abhängig. Und sie nimmt seit dem Ende der Apartheid zu. Jabu hat Angst um die Zukunft ihrer Kinder, in diesem Staat mit seinen unbeeinflussbaren Machtstrukturen. Ihr stehen die Haare zu Berge, nicht nur wenn sie aus der Dusche kommt.

Allerdings, und hier ertönt mein APPELL AN VERLAG UND AUTORIN, doch einen winzigen, klitzekleinen Blick eines Lektors zuzulassen. Denn als ich MEDEA las, standen mir die Haare zu Berge (S. 385). Vielleicht standen auch Medea die Haare zu Berge als sie Jasons Pläne durchblickte, aber normalerweise nicht. Jedenfalls nicht so wie der MEDUSA, die hier gemeint ist, auch wenn deren Haare, aber das führt zu weit. Man muss nicht notgedrungen wissen, daß es sich bei diesen um Schlangen handelt. Doch ausgerechnet ein falsches Bild als Beispiel für kulturspezifisch bedingtes Unwissen anzuführen ist peinlich.

Das kann aber in der nächsten Auflage korrigiert werden. Nicht korrigiert wird sicherlich folgender Satz, dem ich widerspreche. „Die Geschichte ist immer bereit für eine Wiederkehr.“ Das kann sie nicht sein, weil das wiederkehrende Ereignis bereits auf historischen Boden fällt.

Es folgen Hinweise zur literarischen Aufarbeitung der Probleme der Aborigines durch Germaine Greer, Überlegungen zu Sprache und Bindung und schließlich Zumas Wahlsieg. Die von diesem getroffene Aussage, der ANC regiere bis zur Wiederkunft des Herrn, wie die Mohammedkarikatur als Blasphemie zu deuten, halte ich für falsch. Eine solche Aussage weist auf das Selbstverständnis Zumas hin. Er sieht sich als Herrscher von Gottes Gnaden, nicht als ein vom Volk gewählter Repräsentant.

Ein Gedanke zu „Klasse statt Rasse

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